"Mein Weg" - Stefan Haberkorn (Visual Impression)

Stefan, 39 Jahre, Visual impression

Stefan ist "Diplom Ingenieur für Architektur" - ein Architekt. Allerdings ein Architekt der besonderen Sorte: seine Häuser, sind virtuell. Und genau genommen, begrenzt er sich nicht auf virtuelle Gebäude, er erschafft gleich ganze Welten und erzählt damit am liebsten auch eine Geschichte.

 

„Ich fand im Studium die grafische Seite der Architektur viel spannender als die planerische. Da war relativ schnell klar, dass ich kein Architekt bin, auch nie einer sein werde sondern dass es bei mir immer darum gehen wird, etwas darzustellen, etwas zu visualisieren. Da war klar, dass ich erst gar nicht als Architekt arbeiten werde.“

 

„Im Studium kam ich das erste Mal in Kontakt mit „3D“ und habe gemerkt: Das ist mein Medium, das ist mein Ding! Und dann war die Sache relativ schnell entschieden, dass das meine Vision von meiner Zukunft ist.“

 

Zuerst hat Stefan dann mit einem Freund "Visual Expression" gegründet und sich auf Architekturvisualisierung konzentriert. Später kam noch ein Kollege dazu. Seine beiden Geschäftspartner wollten dann allerdings wieder mehr in Richtung Architekturplanung gehen. Eine Diskussion zur thematischen Ausrichtung der Firma entstand. "Ich wollte in Richtung Filmeffekte, special Effekte, coole Animationen, Animationsfilme, Geschichten erzählen. Das war dann der break wo ich rausgegangen bin aus der Firma.“ Entweder ganz oder gar nicht, klingt es da durch.

 

Stefan gründete neu: Visual Impression 360° Stereo 3D. „Dann habe ich ein Jahr von zu Hause gearbeitet. Zwischendurch waren wir zu zweit, dann zu dritt, dann war ich wieder allein.“ sagt er und meint damit die Anzahl der Geschäftspartner. Zeit ging ins Land und Stefan konzentrierte sich auf 3-D Animationen mit wechselnder Auftragslage.

 

Und dann kam er auf die Virtual Reality. Zu dieser Zeit kam gerade die "Oculus Gear VR" heraus, die erste VR-Brille, die für den regulären Markt zugänglich war. Stefan war begeistert und beteiligte sich erfolgreich am Wettbewerb eines Softwareanbieters. Es ging darum VR-Welten zu kreieren. Stefans Beitrag ist heute noch im Store des Anbieters zu finden.

 

Das war ein Schub nach vorn und reichlich Motivation im VR-Bereich weiterzumachen. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit im VR-Bereich. Er hat einen Angestellten und blickt auf nunmehr 12 Jahre Selbstständigkeit zurück.

 

War es der richtige Weg, sich selbstständig zu machen?

 

"Ja, ich habe zwischendurch ja auch bei einem großen deutschen Autobauer in der Prototypenvisualisierung gearbeitet und das war gewöhnungsbedürftig. Die Strukturen und die Arbeitsatmosphäre waren ein no go. Ich schätze an der Selbstständigkeit, dass mir nicht ständig jemand über die Schulter guckt und dass ich Entscheidungen allein treffen kann, wichtige Entscheidungen. Mich reizt das! Mich reizt es auch zu kämpfen. Wenn es nicht einfach ist, das reizt mich. Und als Selbstständiger hat man´s nicht einfach. Das ist aber der Spaß daran. Ich glaube wenn man es einfach hat, wenn´s langweilig ist, dann wird man innerlich grau und verliert die Farben. Und dieses Kämpfen um eine Idee, um Erfolg, Ergebnisse, Projekte, das reizt mich. Ich hasse und ich liebe es.“ sagt er und strahlt dabei eine Intensität aus, die keinen Zweifel lässt, dass dieser Mann meint, was er sagt.

 

Ist Sachsen-Anhalt ein guter Boden um zu gründen?

 

„In Sachsen-Anhalt kann man gut gründen wenn man eine Nische gefunden hat, die möglichst nicht auf Sachsen-Anhalt fußt." sagt er, lacht und deklariert die Aussage als Scherz. "Es gibt sicher auch hier Bereiche wo man sich selbstständig machen kann aber die muss man erst mal finden. Ich arbeite viel in Magdeburg und Umgebung aber es gab auch Zeiten wo ich hier keine Aufträge hatte und nach Außerhalb ausweichen musste, bis nach Saudi Arabien und nach Afrika. Zumindest im Bereich VR ist es nicht so leicht.“

 

Wieso war es für dich keine Option wegzugehen, z.B. nach Berlin?

 

„Warst du schon mal in Berlin?“ (grinst) Stefan fühlt sich einfach nicht wohl in großen Städten. Er schätzt die „Kleinstadt“ Magdeburg in ihrer begrenzten Größe und die grünen Parks, schwärmt von der Interviewsituation (Wir saßen im Stadtpark auf der Wiese hinterm Pavillon Anm.d.R.) und findet hier die Lebensqualität, die er braucht. „Ich bin froh hier in Magdeburg zu sein, ich fühl mich hier wohl.“ fasst er seinen Entschluss, hierzubleiben, zusammen und ergänzt: "Der Vorteil ist, dass man hier nicht soviel Konkurrenz hat und mit den Konkurrenten manchmal sogar zusammen arbeitet."

 

Was muss man wissen, bevor man sich selbstständig macht?

 

"Bevor man gründet sollte man die Finanzen für 1 Jahr geklärt haben und sich klar machen, welche Kosten so auf einen zukommen." Stefan berichtet von der schwierigen Anfangszeit seiner Firmen, den Mühen, 3-D und VR in Sachsen-Anhalt zu etablieren und den hohen monatlichen Kosten. 

 

Gab es Dinge, die du loslassen musstest?

 

"Den Anspruch, der Beste zu sein. Mir ging es irgendwann mehr darum, was zu verändern, was zu bewirken, mitwirken zu dürfen. Teil eines Netzwerkes zu sein oder Teil einer Idee zu sein und selber Ideen in die Welt zu setzen und diese dann zu verwirklichen. Ich habe auch den Anspruch losgelassen, besonders coole Sachen zu machen. Dieses Wettbewerbsdenken habe ich losgelassen." sagt er und wirkt sehr geklärt dabei.

 

Und weiter führt er aus "Ich habe auch losgelassen, ständig zu feiern. Irgendwann muss man sich entscheiden."

Je nach dem was gerade wichtig ist, lässt man mal das eine oder das andere los. Irgendwann kehrt sich das dann wieder um. "Ein Stück weit muss man auch Privatleben loslassen. Wenn du selbstständig bist, bist du das immer! Man darf es nicht halbherzig machen. Erfolg richtet sich danach wie viel Energie man reinsteckt."

 

Hier wird deutlich, dass Selbstständigkeit ein hohes Maß an Flexibilität und innerer Überzeugung erfordert.

Und manchmal heißt es auch: „Kill your darlings“ und meint u.a. dass einem die eigenen Prioritäten oder Lieblingsprojekte manchmal gar nicht gut tun oder viel Arbeit machen aber wenig Ertrag bringen.

 

Stefan hat, trotz aller Sachlichkeit eine fast schon "spirituelle" Art, die Dinge zu betrachten. Er nimmt die Entwicklungen an wie sie sind und versteift sich nicht wenn die Aufträge zwischenzeitlich mal weniger werden. Man sollte in ruhigen Zeiten geschmeidig bleiben, den Moment annehmen und nutzen, um liegen gebliebenes abzuarbeiten oder einfach mal Pause zu machen. Irgendwann kommen die Aufträge dann wieder. „Du steckst was rein, du kriegst was raus.“ sagt er und unterstreicht sein Vertrauen in diesen Kreislauf.

 

„Als Selbstständiger musst du an deine Gefühle ran. Du kannst nicht starr und stur vor dich hinarbeiten. Du musst dynamisch sein und genau gucken: Was will ich eigentlich? Wo will ich hin? Was muss ich tun um dahin zu kommen? Und man wird reflektierend und guckt bei sich selbst, was man so braucht und wie man drauf ist. Da ist kein Chef der einem das vorgibt, man muss seine eigene Struktur finden.“

 

Wo möchtest du deine Firma in 3 Jahren sehen?

 

„Ich möchte so 10-20 Leute haben. Ich versuche Produkte zu entwickeln, die mir das ermöglichen. Daran arbeite ich gerade.“

(für 10-20 Leute, braucht Stefan auch Einnahmen für 10-20 Gehälter Anm.d.R.).

 

„Vielleicht kommen noch ganz neue Geschäftsbereiche dazu.“ sagt er und erläutert, dass ja gerade sein Markt sehr dynamisch ist und immer wieder Entwicklungen hervorbringt, an die man jetzt noch gar nicht denkt.

 

Wer näheres über Stefans Wirken erfahren möchte, kann sich hier informieren:

http://360stereo3d.com/

http://www.visualimpression.de/

 

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Stefan ist durch und durch ein Selbstständiger. Er atmet Selbstständigkeit. Im Interview drang diese kraftvolle Überzeugung sehr deutlich durch seine, ihm inne wohnende Ruhe, hindurch. Eine gute Kombination will mir scheinen. Wer so sehr bereit ist, seine Visionen zu leben, der ist im vorgegebenen Rahmen eines Anstellungsverhältnisses sicher nicht richtig.

 

Ist das ein Plädoyer für die Selbständigkeit? Nein! Selbstständigkeit ist nicht für jede/n der Weg zur Selbstverwirklichung. Derer gibt es viele. Aber für all jene, die mit ihren Energien und Ideen immer wieder gegen Wände stoßen, lohnt es sich vielleicht darüber nachzudenken, ob sie sich in der richtigen (Arbeits)Umgebung befinden.

 

Wer Lust hat, sich mit seinem eigenen beruflichen Wirken auseinander zu setzen, hat dazu u.a. in Form einer Einzelsupervision die Möglichkeit. Oft lohnt es sich, beim Arbeitgeber anzufragen ob er, z.B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagement oder zur fachlichen Unterstützung, Supervision genehmigt.

 

Weitere Geschichten in meinem blog.

 

 

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