"Mein Weg" - Sarah Werner (Frau Ernas loser Lebensmittelpunkt)

Sarah, 31 Jahre, Frau Ernas loser lebensmittelpunkt

26.07. 2017

 

Sarah wusste schon im Studium, dass sie sich irgendwann selbstständig machen würde, hat aber trotzdem erstmal studiert: Sozialpädagogik in Hildesheim (BA) und Magdeburg (Master). Danach die erste Anstellung bei einer Magdeburger Wohnungsgenossenschaft, wo sie für den Aufbau der Nachbarschaftshilfe zuständig war. Als Sozialpädagogin unter Verwaltungskräften und Immobilienfachleuten ein bunter Vogel, hat sie viel gelernt und viel anstoßen können. Nach einer "Phase des Probierens" in der sie auf der Suche nach einem Job war dessen Umgebung ihr mehr entsprach, fand sie sich im Waldorfkindergarten wieder. Hier traf sie auf Gleichgesinnte und vertiefte ihre Leidenschaft für Müllvermeidung, Tierschutz und bewusste Lebensgestaltung. Zu dieser Zeit macht sich das Thema "Selbstständigkeit" wieder bemerkbar. Im Gespräch erzählte Sarah von ihren Eltern, die zumindest im Ansatz den Grundstein für diesen Weg gelegt hatten. Es lag ihr scheinbar im Blut.

 

Doch wie kommt sie von der Idee, sich selbstständig zu machen auf einen Laden für unverpackte Lebensmittel?

 

Am Ende waren es die Berichte über die ersten Unverpacktläden in Kiel, Wien und Berlin. Immer häufiger las und hörte Sarah von diesem Konzept und eine gewisse Unruhe machte sich in ihr breit. Mittlerweile für die Idee entbrannt aber voller Zweifel, nutze Sarah im Januar 2016 ein Kursangebot in Kiel um Klarheit zu gewinnen. Kann das ihr Weg sein oder nicht? Und ja: "Es hat mich total geflasht und ich wusste: Das ist es!"

 

Dieser Kurs förderte auch eines deutlich zu Tage: Da es bis dato noch keine Unverpacktläden in Deutschland gab war dieses Feld prädestiniert für Quereinsteiger und Idealisten, die die Welt verändern wollen. Sarah wusste "Alles was ich fachlich nicht weiß, kann ich mir aneignen, kann ich lernen. Was es für diesen Job braucht, ist purer Idealismus und Leidenschaft, damit man das auch durchhält."

 

Und wie fing sie an, die Idee umzusetzen?

 

Sarah nutze erstmal ihren Freundeskreis und ihre facebook-Kontakte um sich einen  groben Überblick zu verschaffen, wie groß das Interesse der Magdeburger*innen an einem solchen Ladenkonzept sein würde. Dadurch wurde auch eine Autorin der DATEs auf sie aufmerksam. Diese wollte gern etwas zum Thema schreiben und nahm mit Sarah Kontakt auf. Das war im März 2016. Für Sarah eigentlich zu früh, hatte sie bisher nicht mehr als die reine Idee. Sie hat sich dann trotzdem für das Interview entschieden, was auch gut war: "Weil ich darüber auch wieder andere interessante Leute kennen gelernt habe." Ein wichtiger Kontakt für Sarah in dieser frühen Phase war die bpc Unternehmerinnenakademie  Magdeburg, die sie bei der Konzeptentwicklung unterstützte.

 

Es folgte eine Zeit der Recherche: Wer könnte als Lieferant in Frage kommen? Wo könnte der Laden in Magdeburg eröffnet werden? Am Ende waren es die Eltern aus dem Waldorfkindergarten, die Stadtfeld und besonders die Ecke um den Schelli in den Fokus rückten.

 

Im Sommer 2016 war es dann Sarahs Ehemann, der sie auf die Idee brachte, "Mal so richtig durch die andernen Läden zu schnuppern." Sarah nahm Urlaub und ging auf Reise nach Leipzig, Dresden und Erfurt wo sie sich die Unverpacktläden anschaute und deren Eigentümer*innen mit ihren Fragen löcherte. Schlussendlich absolvierte sie noch ein Praktikum im Unverpacktladen Hannover. "Ich bin nach zwei Wochen nach Hause gekommen und dachte: Boar, ich will sofort meinen eigenen Laden aufmachen."

Es hat dann aber noch eine ganze Weile gebraucht, die richtige Immobilie zu finden. Einer vielversprechenden Zusage, folge Monate später eine Absage. Sarah nutze die Zeit um ihr Konzept zu verfeinern, mit Lieferanten zu sprechen und  ihren Businessplan zu schreiben. Dabei bekam sie wertvolle Unterstützung von Inga Thor (Tringular.de), die Sarah liebevoll ihre "Zahlenfrau" nennt.

"Das Zahlenkonzept zu stricken, dabei habe ich Hilfe gebraucht." meint sie und ist froh, diese Unterstützung gefunden zu haben. Für den Kontakt zur Bank hat sich diese Arbeit aber gelohnt. "Blindlings reinstürzen, ohne Konzept und Businessplan würde ich bei der Größe des Projektes niemandem raten. Es sollte ein ordentliches Konzept dahinter stecken." reflektiert sie und sagt: "Den Businessplan schreibt man nicht für die Bank sondern für sich. Damit man das Konzept verinnerlicht."

 

Was hätte für Sarah den Start leichter gemacht?

 

"Vielleicht wäre es hilfreicher gewesen, an der Uni BWL zu studieren. Vor allem wäre es leichter gewesen, von Anfang an noch jemanden dabei zu haben, der mit mir gründet. Der Austausch ist zu zweit produktiver." Mittlerweile hat Sarah einen Partner an ihrer Seite: Frithjof (zuletzt zu sehen im Crowdfundingvideo).

Wie so viele, die etwas zum ersten Mal tun, machte auch Sarah es sich manchmal schwerer als nötig. "Ich mochte anfangs den Boden und die Kassettendecke des Ladens nicht und wollte einen gemütlichen Laden schaffen und habe überlegt, den Fliesenboden rauszunehmen und zu ersetzen aber mein Umfeld hat mich dann gebremst und mich daran erinnert, wo jetzt mein Fokus liegen sollte, damit der Laden dann auch bald eröffnet werden kann."

 

Was hat Sarah auf ihrem Weg geholfen?

 

"Geholfen hat mir, dass ich nicht allein mit der Idee da stand." Und damit meint sie ihr "supergroßes" Netzwerk: die Unterstützer*innen ihrer Crowdfunding-Kampagne, die Kunden, die über das Internet nachfragen wann es endlich losgeht, ihren Ehemann und Freunde.

 

Was war ihr wichtig bei der Gestaltung ihres Unternehmens?

 

"Das es ein ganzheitliches Konzept wird und das es im Gesamten nachhaltig ist." Sarah möchte möglichst regionale Produkte anbieten, weiß aber, dass dem auch Grenzen gesetzt sind. Sie möchte bei der Ladeneinrichtung möglichst viele Dinge nutzen, die nicht neu angeschafft wurden und ihr Laden soll mit seinen Kunden, seinem gesamten Netzwerk leben und sich weiterentwickeln. Sarah möchte die Anliegen und Anregungen der Leute aufnehmen. Der Laden soll sich schlüssig in seine Umgebung einbetten und lebendiger Teil davon sein. Da kommt vielleicht die Erfahrung aus der Nachbarschaftshilfe zum Tragen. "So ganz kann ich die Sozialpädagogin nicht abstreiten." sagt sie und lacht.

 

Wieso hat es sich gelohnt, in die Selbstständigkeit zu gehen?

 

"Es ist ne totale Bereicherung." sagt sie ohne zu zögern. Sarah hatte Freude daran, das Konzept zu entwickeln, das Konezpt zu leben und loszulegen. Sie hat "viele tolle Leute" kennen gelernt und vorallem sehr viel gelernt. Sie ist über sich hinaus gewachsen und ist nicht gefangen "in einem Alltagstrott, der mich unzufrieden gemacht hätte."

"Ja, es ist manchmal hart aber das habe ich mir ausgesucht. Ich brenne dafür und gehe bewusst in den Tag."

 

Und wie möchte sie ihr Unternehmen in drei Jahren sehen?

 

"Natürlich brummt der Laden, ist lebendig und vielfältig." Und dann überlegt sie noch laut ob sie zu dieser Zeit schon den zweiten Laden in Buckau eröffnet und schmunzelt.

 

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Ein launiges Interview mit einer vielschichtigen Persönlichkeit. Sarah hat klare Vorstellungen, wie sie ihren Laden gestalten möchte und wie er sich in seiner Umgebung verorten soll. Sie geht planvoll vor und holt sich die Unterstützung, die sie braucht. Für mich ist diese Frau ein wunderbares Beispiel dafür, dass es sich manchmal lohnt, Mut zu fassen und sich etwas zu trauen. Und so geht sie vom Nachbarschaftstreff über den Waldorfkindergarten in ihren Unverpacktladen und es hätte schlüssiger nicht sein können.

 

Ich musste beim Niederschreiben dieses Gesprächs an das Zitat von Viktor Hugo denken: "Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Und möchte ergänzen: "Nichts auf der Welt hat eine so überzeugende Dynamik wie ein Mensch, der sein Medium/Metier/Thema gefunden hat."

 

Wer Lust hat, sich mit seinem eigenen beruflichen Weg und Wirken auseinander zu setzen, hat dazu u.a. in Form einer Einzelsupervision die Möglichkeit. Manchmal lohnt es sich, beim Arbeitgeber anzufragen ob er, z.B,. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagement oder zur fachlichen Unterstützung, Supervision genehmigt und finanziert.

 

Weitere Geschichten gibt´s hier.

 

 

Mehr Infos gibt es hier: www.frauernas.de.

Und wer den Entwicklungsprozess bei facebook verfolgen möchte, kann das hier tun.

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